Stasi – Ein Blick über die Mauer unserer Geschichte

Zeitzeugenprojekt an der Europaschule Rheinberg in Kooperation mit der Universität Bochum

 

 

Am 26. Juni 2025 hatten die Schülerinnen und Schüler der Europaschule Rheinberg die besondere Gelegenheit, zwei beeindruckenden Zeitzeugen zu begegnen. Im Rahmen des Projekts „Stasi – Ein Blick über die Mauer unserer Geschichte“, das in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum entstand, berichteten Christoph Becke und Felix Heinz Holtschke eindrucksvoll von ihren persönlichen Erfahrungen mit dem DDR-Regime.

Christoph Becke erzählte von seiner anfänglichen Begeisterung für die Sowjetunion und seiner Reise an die Baikal-Amur-Magistrale – sowie von seiner späteren Desillusionierung, einem gescheiterten Fluchtversuch und seiner Inhaftierung in Cottbus. Besonders eindrucksvoll war sein Bericht über den sogenannten „Freikauf“ politischer Häftlinge durch die Bundesrepublik – ein Kapitel deutsch-deutscher Geschichte, das vielen Schülerinnen und Schülern zuvor unbekannt war.

Felix Heinz Holtschke, 1950 in Niesky (Sachsen) geboren, schilderte seine Entwicklung vom unkritischen DDR-Bürger zum politischen Gefangenen. Nach seinem Diplomabschluss als Verkehrsingenieur arbeitete er bei der Deutschen Reichsbahn. Mehrere Ausreiseanträge führten schließlich zu seiner Verhaftung am 21. November 1984 in Ost-Berlin und einer Verurteilung zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Nach Stationen in verschiedenen Gefängnissen – darunter Berlin-Hohenschönhausen, Cottbus und Karl-Marx-Stadt – wurde er am 4. Dezember 1985 von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Heute engagiert er sich als Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender der „Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V.“ (VOS).

Begleitet wurden die Gesprächsrunden von Prof. Dr. Frank Hoffmann, Inhaber des Lehrstuhls für Fachdidaktik Geschichte an der Universität Bochum. Er ordnete die Berichte fachlich ein, thematisierte den Umgang mit Zeitzeugenschaft im Unterricht und regte zur Reflexion über die Chancen und Herausforderungen von „Oral History“ an.

In jeweils rund 60-minütigen Gesprächsrunden diskutierten die Klassen 10a und 10c mit den Gästen. Dabei zeigten viele Schüler*innen ehrliches Interesse, stellten reflektierte Fragen – und begegneten den Berichten mit spürbarer Betroffenheit.

Einige Stimmen aus der Schülerschaft:
„Ich wusste gar nicht, dass die DDR Leute einfach so wegsperren konnte. Das war total krass – und traurig“, meinte Aaron 10c.
„Die Geschichte von Herrn Beckes Fluchtversuch hat mich richtig mitgenommen. Es ist kaum vorstellbar, dass man für so etwas ins Gefängnis kam“, sagte eine Schülerin aus der  10a.
Konstantin (10c) ergänzte: „Ich fand es mutig, dass Herr Holtschke heute so offen über seine Vergangenheit gesprochen hat. Man hat gemerkt, wie sehr ihn das noch bewegt.“
Und Ariana (10c) stellte nachdenklich fest: „Ich habe vorher nie wirklich über die DDR nachgedacht – jetzt sehe ich das alles mit anderen Augen.“

Diese Veranstaltung leistete einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung an unserer Schule. Sie ermöglichte den Jugendlichen eine direkte Auseinandersetzung mit autoritären Systemen und deren Auswirkungen auf das Leben einzelner Menschen. In besonderer Weise spiegelte das Projekt damit auch die Leitbilder der Europaschule Rheinberg wider: Der respektvolle Umgang mit der Lebensgeschichte anderer fördert das soziale Lernen, das Verständnis für historische Verantwortung wird gestärkt, und die Auseinandersetzung mit Unrecht und Repression vermittelt eindrucksvoll, wie wichtig demokratische Werte und bürgerschaftliches Engagement sind. Die Schülerinnen und Schüler wurden darin bestärkt, sich als mündige Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft zu verstehen und aktiv für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde einzustehen.

Trotz organisatorischer Herausforderungen war die Veranstaltung eine eindrucksvolle Erfahrung für alle Beteiligten. Sie verdeutlichte einmal mehr: Geschichte lebt durch Begegnung – und durch das Erinnern an jene, die sie erlebt oder weitergetragen haben.